Vor ein paar Jahren saß ich als Teilnehmerin in einem Seminar. Das ist an sich nichts Besonderes, doch dieses Seminar war eher Zufall. Es ging lediglich um die Idee einer Kooperation.
Vermutlich hätte ich mich sonst nie zu einer Ausbildung zum Team-Coach / Team-Entwickler angemeldet. Was sollte ich denn da? Mein Schwerpunkt lag schließlich ganz woanders. Ich war Führungskraft und gab Leadership-Seminare. Ich hatte nicht vor, Teams zu coachen oder mit Abteilungen in den Klettergarten zu gehen.
Eines wurde mir jedoch schnell klar: Team-Entwicklung hat nur bedingt etwas mit Klettergarten zu tun, und umgekehrt. Klettergarten alleine reicht bei Weitem nicht aus, um echte Teams zu formen. Die Wirkung eines solchen Besuchs verpufft sehr schnell. Und dann ist man wieder da, wo man angefangen hat.
Doch der große Groschen fiel bei mir, als es um Agilität ging. Plötzlich war mir klar, warum so viele Unternehmen und so viele Teams den Sprung zu echter Agilität nicht schaffen. Auch wenn sie es verzweifelt versuchen. Diese Teams kennen zwar die Methoden und setzen sie auch ein, aber das Wesentliche fehlt. Echte Agilität ist etwas ganz anderes als nur der Einsatz eines Kanban-Boards oder von Daily-Routines oder anderer Methoden.

„Fail fast. Learn fast. Improve fast.“
(Spotify)
Agilität heißt Lernen.
Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns einmal genauer anschauen, wie Lernen funktioniert. Warum ist das so? Nun, Agilität beschreibt die Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen oder sogar anstehenden Veränderungen einen Schritt voraus zu sein. Eigentlich ist Agilität etwas, das uns Menschen von der Natur her in die Wiege gelegt ist. Denn ansonsten hätten wir uns als Spezies nicht so durchgesetzt und wären nicht so anpassungsfähig, wie wir es heute sind. Der Schlüssel dazu: Experimentierfreude, Neugier sowie Lernen aus Erfahrung und Beobachtung.
Stellen wir uns einmal diese Situation vor: Ein Urzeitmensch sitzt in der warmen Sonne auf dem Boden bearbeitet einen Stein. Ein neues Werkzeug soll es werden. Er haut fest mit einem Stein auf den anderen. Da entsteht ein Funke. Er erschrickt, schaut, macht weiter. Wieder ein Funke. Er betrachtet die beiden Steine genauer und fängt nun an gezielt herumzuprobieren …
Vereinfacht gesagt ist hier Folgendes passiert: konkrete Erfahrung – Beobachtung und Reflexion – Abstraktion und Theoriebildung – gezieltes Ausprobieren. Dann beginnt dieser Kreislauf von vorne. Das Lernen ist dabei ein ständig fortschreitender Prozess (Kolb 1984).
Dieser wichtige Baustein für Agilität wird oft übersehen.
So lernen wir als Einzelperson und so lernen wir in Teams und Unternehmen. Die Krux beim Lernen in Teams ist nur, dass die Lernschritte nur dann funktionieren, wenn zwischen den Beteiligten Vertrauen und eine echte Verbundenheit herrscht. Sobald Angst und Misstrauen im Spiel sind, wird keiner mit den anderen offen über seine Ideen, Erkenntnisse, Bedenken, Fehler usw. sprechen.
Lassen Sie uns eine kleine Zeitreise hin zur Entstehung der Post-Its machen: Der US-amerikanische Wissenschaftler Arthur Fry arbeitete als Produktentwickler bei dem Klebstoffhersteller 3M. Sein Kollege Spencer Silver hatte einen neuartigen Klebstoff entwickelt, der zwar auf Materie haftete, aber zu schwach war, um dauerhaft zu kleben. Was zunächst als nutzlos galt, entwickelte Fry weiter – und die Idee dazu kam ihm in einer Kirche. Er war Mitglied in einem Kirchenchor und legte Zettel in das Gesangbuch, um sich die Seiten zu merken. Doch beim Öffnen fielen ihm die Zettel oft heraus. Ihm kam die Erleuchtung: Mit dem „nutzlosen“ Klebstoff von Silver könnte man die Zettel in einem Buch befestigen, ohne die Seiten zu beschädigen. Er entwickelte seine Idee und 1980 kamen schließlich Post-Its auf den Markt.
Diese Innovation hätte es nie gegeben, wenn Spencer Silver – aus Angst er könne ausgelacht werden oder als Versager gelten – seinen Misserfolg verschwiegen hätte und versucht hätte, alles zu vertuschen. Denn schließlich war sein Auftrag damals gewesen, einen besonders stark haftenden Klebstoff zu entwickeln.
Wie Sie sehen, ist Vertrauen und eine darauf aufsetzende gute Fehlerkultur die Grundvoraussetzung für Lernen in Teams und damit für Agilität und Innovation.
Für echte Agilität braucht es auch die Bereitschaft aller, Neues auszuprobieren und Fehler in Kauf zu nehmen. Auch das geht nur, wenn die Leute sich vertrauen und sich psychologisch sicher fühlen. Herrschen Angst und Misstrauen, wird diese Bereitschaft nahezu gegen Null gehen. Das wiederum bedeutet, dass der Lern- und Anpassungsprozess gar nicht erst in Gang kommt.
Für echte Agilität braucht es daher echte Teams. Nur, Teams entstehen in der Regel nicht von alleine. Eine Gruppe von Menschen ist eben nicht automatisch ein Team, nur weil sie das gleiche Abteilungskürzel tragen. Echte Teams müssen gezielt entwickelt werden.
Investieren Sie ihn Ihre Teams. Es lohnt sich. Teamstärke und Mitarbeiterexzellenz sind ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.